Interview mit Iracema Bila, Vorsitzende der Vereinigung der mosambikanischen Frauen im Bergbau
Mosambikanische Frauen arbeiten oft im informellen Sektor des Bergbaus. Sie waschen Geräte, kochen für ihre Männer, schleifen Mineralien. Um Arbeitsschutz, fairen Zugang zum Markt und Bezahlung kümmert sich dabei niemand. Doch jetzt haben sich in dem südafrikanischen Land erstmals Frauen zusammengeschlossen, um ihre Rechte einzufordern. Stephanie von Aretin, Business Scout for Development an der IHK Chemnitz, sprach in Mosambik mit der Vorsitzenden Iracema Bila. Die beiden Frauen trafen sich anlässlich der Delegationsreise von Wirtschaftsminister Martin Dulig, der in Maputo mit Bergbauminister Carlos Zacarias die weitere enge Kooperation im boomendem Bergbau-Sektor des Landes vereinbarte.
ZUKUNFTblog: Frau Bila, wo stehen die Frauen im mosambikanischen Bergbau heute?
Iracema Bila: Wir sind noch ganz am Anfang. Die Vereinigung der mosambikanischen Frauen im Bergbau hat gerade die Genehmigung des Ministers für Justiz und religiöse Angelegenheiten bekommen. Wir befinden uns noch im Prozess der offiziellen Registrierung, der hoffentlich im August abgeschlossen wird. Dennoch haben wir unsere Arbeit aufgenommen. Wir sind bereits verbunden mit der Vereinigung der Frauen im Bergbau (WIMA) in der Southern African Development Community (SADC). Noch haben wir nur wenige Mitglieder; sie kommen aus Cape del Galgado im Norden des Landes, aus Namuno, Gaza und Maputo. Die Idee war, zunächst die Vereinigung zu gründen. Dann wollen wir Vertretungen in den nördlichen, zentralen und südlichen Regionen des Landes starten.
ZUKUNFTblog: Wir führen dieses Gespräch in Maputo, der Hauptstadt von Mosambik, nur etwa 120 Kilometer von der südafrikanischen Grenze entfernt. Aber Mosambik hat eine Küstenlinie von etwa 2500 Kilometern. Die meisten Minen befinden sich im Norden – weit weg von der Hauptstadt. Wie erreichen Sie die Frauen dort?
Iracema Bila: Viele Frauen arbeiten im Bergbausektor, aber sie sind oft in informellen Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Sie arbeiten mit ihren Ehemännern zusammen, sorgen für das Essen, waschen das Material, verarbeiten die Mineralien. Aber diese Frauen haben genau wie Männer das Potenzial, eigene Schürfstellen zu betreiben. Um genauere Zahlen zu erhalten und den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln, müssen wir zunächst untersuchen, in exakt welchem Umfeld die Frauen arbeiten und welche Bedürfnisse sie haben.
ZUKUNFTblog: Die nächsten Schritte sind also…
Iracema Bila: Zurzeit betreiben wir Lobbyarbeit bei der Regierung, um ein Pilotprojekt einzurichten. Dafür müssen wir einen Ort festlegen, an dem viel Bergbau betrieben wird, und wo viele Frauen beteiligt sind. Dann wollen wir eine Befragung unter anderem zu den folgenden Themen durchführen: Was ist die Rolle der Frauen in der Wertschöpfungskette? Sind sie Eigentümerinnen von Schürfstellen? Haben sie irgendeine Art von Legalisierung oder sind sie nur informelle Dienstleisterinnen?
Iracema Bila: Wir wollen den Frauen außerdem zeigen, dass sie viele Vorteile davon haben, wenn sie Teil einer Genossenschaft werden. Die Regierung ist jetzt an der Zusammenarbeit mit Genossenschaften interessiert, weil sie die Frauen in größerem Umfang in den Bergbausektor einbinden will. Nur so erhalten sie Zugang zu Land, zu Ausrüstung und zu Ausbildung.
ZUKUNFTblog: Wer werden Ihre Partner in diesem Prozess sein?
Iracema Bila: Zunächst wollen wir uns als Verband auf einer Auftaktveranstaltung vorstellen. Wir möchten eine Podiumsdiskussion mit Unternehmen und NGOs ausrichten, die sich für die Rechte der Frauen einsetzen. Mit ihnen werden wir darüber reden, welche Auswirkungen neue Investitionen auf das Leben von Frauen haben. Und dann werden wir vor Ort aktiv – dort, wo die Frauen leben und arbeiten. Wir hoffen, dass wir bis dahin genug Geld gesammelt haben, um unser Pilotprojekt zu beginnen… Wenn wir in Frauen investieren, werden wir die Entwicklung der gesamten Region ankurbeln. Der soziale Wandel passiert wie ein Wasserfall in Kaskaden. Das Pilotgebiet wirkt sich auf Untersektoren auf, die nicht direkt mit dem Bergbausektor verbunden sind. Wenn die Wirtschaftskraft erst einmal da ist, wird es mehr Handel, mehr Dienstleistungen – Schulen, Krankenhäuser, Banken – und mehr Einnahmen für das BIP des Landes geben.
ZUKUNFTblog: Was haben Sie für eine Vision für die Wirtschaft Mosambiks, wenn Frauen ermächtigt sind?
Iracema Bila: Im Moment verkaufen Frauen Mineralien an jeden beliebigen Abnehmer, weil sie keinen Zugang zum Markt haben. Wenn sie über die Vorteile der gemeinsamen Arbeit Bescheid wissen, können sie ihre Arbeitsrechte besser verteidigen und Investitionen anlocken. Aber zuerst müssen sie den Unterschied zwischen ihrer jetzigen Arbeit und ihrer künftigen Arbeit sehen; zunächst müssen wir sie davon überzeugen, sich in Kooperativen zu zusammenzuschließen und zu legalisieren.
ZUKUNFTblog: Wo liegen heute die Hürden, um diese Ziele zu erreichen?
Iracema Bila: Eine der größten Herausforderungen ist die schlechte Ausrüstung; dadurch sind Frauen nicht in der Lage, das gesamte Potenzial einer Mine auszuschöpfen. Dann gibt es auch gesundheitliche Herausforderungen. Es ist für uns wichtig zu erkennen, welches Wasser die Frauen verwenden, wie sie die Mineralien verarbeiten und wie sie Lungenkrankheiten wie Tuberkulose und Silikose vorbeugen, die durch den Staub entstehen, der beim Schleifen von Edelsteinen freigesetzt wird. Auch das ist ein Vorteil, wenn sie sich mit uns einem kooperativen System anschließen. Bergbau sollte nicht wie ein Goldrausch sein, sondern auf lange Sicht nachhaltige Wirkung zeigen. Viele dieser Frauen sind Witwen. Sie sind so verzweifelt, dass sie ihre Kinder mit in die Minen nehmen. Die Kinder brechen dann die Schule ab, weil sie ihren Müttern helfen müssen.
Daher ist die Ermächtigung der Frauen eine Ermächtigung der Gesellschaft. Wenn Frauen wirtschaftlich bessergestellt sind, werden sie ihren Kindern sagen, dass sie zur Schule gehen sollen. Sie werden nicht mehr nur aus der momentanen Not heraus handeln, sondern auch die langfristigen Vorteile sehen, wenn sie ihre Kinder in die Schule schicken.
ZUKUNFTblog: Was ist Ihre persönliche Motivation, sich an dieser Mission zu beteiligen?
Iracema Bila: Wie alle Frauen bin ich sensibel für die Themen, die uns betreffen. Die ganze Welt zählt auf die Frauen, um voranzukommen, besonders in Afrika. Wir wissen, dass viele Haushalte von Frauen geführt werden. Wenn wir eine Frau bilden, erziehen wir die Gesellschaft. Frauen sind sehr loyal. Wenn man in den ländlichen Gebieten in sie investiert, nehmen sie das Geld nicht, um zu trinken oder anderes zu tun. Sie investieren es in die Ausbildung der Kinder und die Erfordernisse des Haushalts. Das ist der springende Punkt.
ZUKUNFTblog: Haben Sie vorher im Bereich der Interessenvertretung gearbeitet?
Iracema Bila: Ich habe früher für die Zivilgesellschaft gearbeitet und die Auswirkungen der Bergbauindustrie auf die ländlichen Regionen untersucht, in denen Bergbauunternehmen mit großen Konzessionen tätig waren. Mir wurde klar, dass man mit den Einnahmen anders umgehen muss, damit auch die Dorfgemeinschaften davon profitieren. Als wir das Netzwerk der African Women in Mining in der SADC kennenlernten, haben wir viel von ihnen gelernt. Ich habe gesehen, wie Frauen in Namibia, Botswana und Simbabwe als Unternehmerinnen arbeiten. Die Frauen dort sind bereits in Genossenschaften organisiert. Sie entwickeln den Bergbausektor, sie verbessern den Lebensunterhalt der lokalen Gemeinschaften, und ihre Unternehmen wachsen. Sie betreiben erfolgreich Handel von Afrika bis nach Europa oder Dubai. Das hat wirklich Auswirkungen auf die Einkommensentwicklung, und ich möchte dasselbe mit den Frauen in Mosambik erreichen. Ich habe zum Beispiel die Bergbaukammer in Mosambik erst durch eine Dame aus Namibia kennen gelernt, die von der deutschen Regierung finanziert wird. Sie war es, die mich in meinem eigenen Land Kontakte knüpfen ließ und mir zeigte, dass die Frauen im Bergbausektor noch viel besser organisiert sein müssen.
ZUKUNFTblog: Sicher haben Sie gesehen, wie Frauen im informellen Bergbau arbeiten und leben. Können Sie uns mehr darüber erzählen?
Iracema Bila: Viele dieser Frauen leben in der Umgebung der Minen. Sie werden in Gegenden gebracht, in denen die Kinder weit von Schulen und Gesundheitseinrichtungen entfernt sind. Ihr Leben hat sich so auch nach der Ansiedlung der großen Industrien nicht wirklich verbessert. Das ist die Herausforderung. Wenn diese Frauen, die in der Umgebung von Minen arbeiten, selbst im Abbau tätig sind, werden sie direkt davon profitieren. Sie werden in der Lage sein, die Entscheidungen der Experten zu beeinflussen. Sie werden auch entscheiden, was sie mit dem Geld machen, das sie verdienen.
Die Gewinne der großen Industrien, die in die Dorfgemeinschaften investiert werden sollen, werden oft zunächst an die Regierung abgeführt. Wenn das Geld dann an die Frauen in den Dörfern zurückgeht, können sie nicht entscheiden, wie sie es verwenden wollen. Es kommt mit einem Subtext, wie das Geld verwendet werden soll. Wenn die Frauen also selbst ein nachhaltiges Geschäft betreiben, sind sie diejenigen, die entscheiden, was sie mit ihrem eigenen Geld machen.
Business Scouts for Development
Die Business Scouts for Development arbeiten als Experten für Entwicklungszusammenarbeit in rund 30 Ländern weltweit. Im Auftrag des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) beraten sie Unternehmen aus Deutschland, Europa und den Projektländern zu Förderinstrumenten und Geschäftsmöglichkeiten in Entwicklungs- und Schwellenländern. Darüber hinaus initiieren und konzipieren sie in Zusammenarbeit mit Unternehmen Projekte sowie innovative Lösungen, die einen Beitrag zu einer sozial gerechten und ökologischen Transformation der Wirtschaft beitragen. Die Business Scouts for Development arbeiten eng mit Partnern aus der Privatwirtschaft, Berufsbildungsorganisationen, Stiftungen und Sozialpartnern weltweit zusammen.
Weitere Informationen unter: www.bmz.de/de/themen/privatwirtschaft/kammern-und-verbaende/business-scouts-for-development-70214
A-Seite Arbeit Arbeitsmarkt Auslandsreise Automobilindustrie Bahn Bahnausbau Bergbau Deine Arbeit Digitales Digitale Transformation Digitalisierung Dulig EU-Förderung Europa Fachkräfte Fachkräftegewinnung Gründen Innovation Internationale Fachkräfte Klimaschutz Lausitz Leipzig Martin Dulig Martin Dulig | Konkret Mikroelektronik Mittelstand Mobilität Nachhaltigkeit Petra Köpping Podcast Radverkehr Rohstoffe Sachsen SMWA Start-up Straßenbau Technologieförderung Thomas Kralinski Unternehmensnachfolge Verkehr Verkehrssicherheit Wasserstoff Wirtschaft ÖPNV