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Dritter Sächsischer Stahlgipfel diskutiert die heißen Eisen der Branche

Dritter Sächsischer Stahlgipfel diskutiert die heißen Eisen der Branche

International wettbewerbsfähige Energiepreise sind sofort nötig – so lautet das einhellige Fazit der Teilnehmenden des Dritten Sächsischen Stahlgipfels. Am 6. November hat sich die Sächsische Staatsregierung im SMWA mit Vertretern der Stahlwerke FERALPI STAHL, BGH Edelstahlwerke GmbH Freital, Mannesmannröhren-Werk GmbH, GMH – Schmiedewerke Gröditz GmbH, Ervin Germany GmbH sowie der Wirtschaftsvereinigung Stahl und der IG Metall getroffen. Der Anlass: Die ökonomische und die ökologische Transformation – insbesondere die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien sowie die Energiepreisentwicklung – stellen die sächsische Stahlbranche vor zahlreiche Anpassungsaufgaben.

Zahlen und Fakten zur sächsischen Stahlindustrie

Deutschland gehört zu den zehn größten Stahlerzeugern der Welt. Sachsen besitzt eine jahrhundertelange Tradition des Bergbaus und des Hüttenwesens. Seine Industrielandschaft prägen noch heute Elektrostahlwerke, Schmieden und Gießereien. Im Freistaat Sachsen, seit 2019 Mitglied in der »Allianz der Stahlländer«, zählt die Metallerzeugung und -bearbeitung mit einem Anteil von 13,8 Prozent am Industrieumsatz zu den drei größten Industriebranchen. Nach Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl sind in Sachsen rund 2.600 Menschen direkt in der Stahlindustrie beschäftigt und rund 11.400 Menschen insgesamt in der Metallerzeugungs- und -bearbeitungsbranche tätig. In der weiteren Wertschöpfungskette beschäftigen rund 640 Unternehmen etwa 48.000 Menschen.

Stahl ist ein Grundstoff für viele industrielle Wertschöpfungsketten, vor allem für die in Sachsen starke Automobilindustrie, den Maschinenbau und auch den Bausektor. Eine erfolgreiche Dekarbonisierung der Stahlindustrie bildet wiederum die Grundlage für die Transformation aller nachgelagerten Wertschöpfungen. Die drei großen Elektrostahlwerke in Sachsen liegen bereits bei den CO2-Emissionen weit unter dem Branchendurchschnitt. CO2-Emissionen fallen bei ihnen hauptsächlich bei der dem Schmelzprozess folgenden Weiterverarbeitung (Temperieren etc.) an.

Worum ging es beim Dritten Sächsischen Stahlgipfel?

Die Staatsminister Martin Dulig (2. von links) und Wolfram Günther (4. von links) mit den Gästen des Dritten Sächsischen Stahlgipfels. (Bildrechte alle Fotos: SMWA)

Wirtschaftsminister Martin Dulig und Energie- und Klimaschutzminister Wolfram Günther erörterten mit den Gästen des Dritten Sächsischen Stahlgipfels den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Wasserstoffinfrastruktur, die Entwicklung der Energiemärkte und die Notwendigkeit eines bis maximal 2030 befristeten Industriestrompreises sowie Aspekte der Kreislaufwirtschaft.

Insbesondere die anhaltend hohen Energiepreise in Deutschland stellen sich als Wettbewerbsnachteil der heimischen Stahlbranche heraus. Werden hier zeitnah keine Kompensationsmaßnahmen ergriffen, besteht die Gefahr einer Abwanderung von Unternehmen. Dies wiederum bedeutet eine schleichende Deindustrialisierung und den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze. Aktuell liegt der Industriestrompreis in Deutschland auf einem Niveau von etwa zwölf Cent pro Kilowattstunde. Zum Vergleich: In Ländern wie China, Frankreich und den USA beträgt der Preis zwischen vier und sechs Cent.

Für rund eine Million Tonnen Schrott, den der in Riesa (Landkreis Meißen) ansässige Stahlproduzent FERALPI jährlich einschmilzt und neu auswalzt, benötigt das Unternehmen so viel Strom, wie alle Dresdner Privathaushalte zusammen verbrauchen. Der Preis, so Werksdirektor Uwe Reinecke, habe sich vervielfacht. Habe die Megawattstunde vor dem russischen Angriff auf die Ukraine rund 20 Euro gekostet, betrage der Preis derzeit mehr als 100 Euro.

Strombezugskosten der Industrie im internationalen Vergleich

Quelle: Industriestrategie des BMWK, S. 16

Standpunkte

Martin Dulig

Martin Dulig, Sächsischer Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr:
»Unsere energieintensive Industrie, vor allem die Stahlindustrie, steht vor enormen und zum Teil existenziellen Herausforderungen. Der Transformationsprozess und die Dekarbonisierung sind Mammutvorhaben. Die Stahlindustrie hat in ihrer Geschichte jedoch wiederholt Widerstandsfähigkeit bewiesen. Mit sächsischem Innovationsgeist hat sie auch jetzt wieder die Chance, ein Treiber für Fortschritt und gesellschaftlichen Wandel zu sein. Es ist mir ein persönliches Anliegen, sie auf diesem Weg zu unterstützen – etwa mit einem Transferstrompreis, der gesicherten Verfügbarkeit grüner Energien, dem Auf- und Ausbau des Wasserstoffkernnetzes und der Forcierung von Kooperationen in der Kreislaufwirtschaft. Mein Thementag zur Kreislaufwirtschaft Ende Oktober hat gezeigt, welche Potenziale geschlossene Materialkreisläufe und die Rohstoffrückgewinnung für die Energie- und Ressourceneffizienz unserer Wirtschaft besitzen und welche Impulse auch von unserer Stahlindustrie dafür ausgehen.«

Wolfram Günther

Wolfram Günther, Sächsischer Staatsminister für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft:
»Die sächsische Industrie ist auf dem Weg Richtung Klimaneutralität. Mit der Energiewende sind enorme industriepolitische Chancen für den Freistaat verbunden. Grünstrom made in Sachsen ist nicht nur die Voraussetzung dafür, dass Sachsen ein starkes Industrieland bleibt. Sondern die Energiewende ist für die sächsische Stahlindustrie, für Anlagenbauer, für die Kreislaufwirtschaft und für viele andere Branchen auch ein enormes Geschäftsfeld. Auf dem Weg zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien brauchen wir den Industriestrompreis, ein Instrument, das der Stahlindustrie und energieintensiven Unternehmen, unabhängig von ihrer Größe, den Weg dahin ebnet. Die sächsische Stahlindustrie hat ihr Gravitationszentrum im Industriebogen im Landkreis Meißen. Dort gibt es bereits wegweisendes Engagement und vorbildliche Zusammenarbeit in Sachen Ausbau von Erneuerbaren und Netzen.«

Uwe Reinecke

Uwe Reinecke, Direktor FERALPI STAHL:
»Seit mehr als 30 Jahren produziert die italienische Feralpi-Gruppe in Riesa Stahl für die Bauindustrie. Über 220 Millionen Euro Investitionen in klimaschonende, CO2-arme Technologien zeugen vom Glauben des Familienunternehmens an den deutschen Standort. Wir wollen in Riesa – einer Stadt mit langer Stahlgeschichte – in Zukunft grünen Stahl produzieren und Industriearbeitsplätze sichern. Doch für den Dekarbonisierungsprozess brauchen wir als mittelständischer Betrieb unbürokratische und pragmatische Förderungen für die Vorhaben. Wir erhoffen uns daher jetzt eine schnelle Einigung der Koalitionspartner bezüglich des Brückenstrompreises bei gleichzeitiger Verlängerung des Spitzenausgleichs sowie eine Erhaltung der Strompreiskompensation, damit die Mammutaufgabe Transformation gelingen kann.«

Kerstin Maria Rippel

Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin Wirtschaftsvereinigung Stahl:
»Die Zukunft der Stahlindustrie ist klimaneutral und die Elektrostahlwerke in Sachsen leisten dazu einen maßgeblichen Beitrag. In Freital, Gröditz und Riesa wird heute schon weitgehend CO2-armer Stahl auf Basis von Schrott erzeugt. Das ist gelebte Kreislaufwirtschaft mit Vorbildcharakter! Doch ausgerechnet diese klimafreundliche Stahlproduktion steht auf dem Spiel, denn zur Stahlherstellung aus Schrott sind enorme Mengen an bevorzugt grünem Strom notwendig. Und der ist viel zu teuer. Die hohen Strompreise treffen unsere Elektrostahlwerke mit voller Härte. Sie drohen im internationalen Vergleich abgehängt zu werden. Was die Unternehmen und Belegschaften jetzt brauchen, sind gezielte und direkt wirkende Entlastungen bei den Strompreisen. Damit die Werke während einer schweren Energiekrise wettbewerbsfähig bleiben, damit sie ihren Weg der Transformation fortsetzen können und damit wir alle unser Ziel eines klimaneutralen, starken Wirtschaftsstandorts erreichen – in Sachsen, in Deutschland und Europa.«

Dirk Schulze (2. von rechts)

Dirk Schulze, Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen:
»Sichere Arbeitsplätze im Stahl gibt es nur mit konkurrenzfähigen Strompreisen. Die Stahlarbeiter und -arbeiterinnen brauchen eine Brücke für die nächsten sechs oder sieben Jahre, bis ihre Werke genügend erneuerbare Energien zu konkurrenzfähigen Preisen haben. Wenn die Bundesregierung jetzt nicht endlich den Brückenstrompreis beschließt, bringt sie tausende Arbeitsplätze in Gefahr. Die IG Metall, die Betriebsräte und die Beschäftigten erwarten Investitionen in Deutschland anstatt Abwanderungsgedanken, das würde mit garantierten und kalkulierbaren Strompreisen von fünf Cent deutlich erleichtert werden. Die Entlastung muss zeitlich befristet sein, bis wir hierzulande ausreichend erneuerbare Energien zu konkurrenzfähigen Preisen haben. Und sie geht nur an tarif- und standorttreue Unternehmen, die die Mitbestimmung der Belegschaften achten und in der Transformation vorangehen.«

Pressegespräch im voll besetzten Konferenzraum des SMWA.

Positionspapier »Sächsischer Stahl braucht sofort international wettbewerbsfähige Strompreise«

In einem Positionspapier (ausführliche Fassung: siehe Dokument unten) verständigten sich die Teilnehmenden des Dritten Sächsischen Stahlgipfels wie folgt:

  • Sachsen bekennt sich zu seinen energieintensiven Branchen, die am Beginn von zahlreichen Wertschöpfungsketten und -netzen stehen.
  • Die sächsische Stahlindustrie benötigt einen schnellen und unbürokratischen Ausbau der erneuerbaren Energien sowie den fokussierten Aufbau der Wasserstoffnetze.
  • Sachsen fordert einen breiten Zugang zu Energie aus erneuerbaren Quellen zu international wettbewerbsfähigen Preisen.
  • Förderprogramme zur Dekarbonisierung bedürfen einer einfachen Ausgestaltung.
  • Die Verfügbarkeit von hochwertigem Schrott hat eine zentrale Bedeutung für die Transformation der Stahlindustrie.
  • Die EU-Kommission muss die Stahlindustrie als Ermöglicher von Netto-Null-Technologien insbesondere hinsichtlich beschleunigter Genehmigungsverfahren im Rahmen des Net-Zero Industry Act angemessen berücksichtigen.
  • Klimaschützende Leitmärkte auf Basis des CO2-Fußabdrucks mit einheitlichen Zertifizierungssystemen und der Schutz vor Carbon-Leakage bilden die Grundlage für Investitionen und Planungssicherheit.
  • Die Sicherung von Fachkräften und von Qualifikationsangeboten sowie die Integration ausländischer Fachkräfte schaffen zukunftsfähige wirtschaftsstarke Unternehmen.

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