Hauptinhalt

#ZUKUNFTblog

Viel um die Ohren: Sachsens Beauftragter für Fluglärmschutz im Gespräch

Viel um die Ohren: Sachsens Beauftragter für Fluglärmschutz im Gespräch

Der Freistaat Sachsen gibt dem Lärm- und Umweltschutz an den internationalen Verkehrsflughäfen Leipzig/Halle und Dresden seit dieser Legislatur ein noch stärkeres Gewicht. Das Wirtschaft- und Verkehrsministerium (SMWA) hat dafür zum 1. September 2021 die Stelle eines Fluglärmschutzbeauftragten (FLSB) geschaffen und setzt damit eine wesentliche Forderung aus dem Koalitionsvertrag 2019 bis 2024 um. Der #ZUKUNFTblog hat mit Jörg Puchmüller über seine Arbeit gesprochen.

Jörg Puchmüller ist als zentraler Ansprechpartner für die Flughafenanrainer und deren Bürgerinitiativen, die Fluglärmkommissionen, die Luftverkehrswirtschaft, die Behörden, die Deutsche Flugsicherung und die Flughafenbetreiber vermittelnd tätig. Der Fluglärmschutzbeauftragte arbeitet fachlich weisungsunabhängig und neutral. Er ist organisatorisch als Stabsstelle in der Abteilung Mobilität des SMWA eingeordnet und hat Dienststellen sowohl in Leipzig als auch in Dresden.

Der gebürtige Zwickauer begleitete verantwortliche Funktionen in der Landesverwaltung und in Verkehrsunternehmen. Im SMWA betreute er u.a. die strategische Kommunikation des Großprojektes City-Tunnel Leipzig. Vor der Übernahme der aktuellen Funktion arbeitete der 55-Jährige als Pressesprecher und Leiter der Repräsentanz Serbien des Unternehmens »Die Länderbahn GmbH«.

#ZUKUNFTblog: Welche Mitspracherechte und Entscheidungsbefugnisse hat der sächsische Fluglärmschutzbeauftragte?

Jörg Puchmüller: Mit der Funktion des FLSB, so kürzt man die etwas sperrige Amtsbezeichnung im Alltag gern ab, verbindet sich vor allem ein Moderationsangebot zwischen der Betreiberseite des Flugbetriebs und den im Umfeld des Flughafens lebenden Menschen. Direkte Entscheidungsbefugnisse gibt es da nicht. Es geht eher darum, die Verantwortlichen zu unterstützen, ausgewogene Entscheidungen zu treffen. Direkte Mitspracherechte sind zum Beispiel im Ministerium verbrieft, wo ich bei allen relevanten Vorgängen und Verfahren beteiligt werde und Stellung beziehen darf. Zudem ist festzustellen, dass auch die kommunale Ebene, die Fluglärmkommission und die Betreiberseite inzwischen Wert auf die Einschätzungen des FLSB legen.

#ZUKUNFTblog: Wie können Sie weisungsunabhängig und neutral arbeiten, wenn Sie gleichzeitig organisatorisch ins Verkehrsministerium eingebunden sind?

Jörg Puchmüller: Die fachliche Unabhängigkeit ist nicht nur in den Leitlinien festgeschrieben, das wird auch so in der Praxis gelebt. Gerade das Ministerium legt darauf großen Wert. Die Anbindung als Stabsstelle hat dienstrechtliche Gründe; so ist das übrigens in fast allen Bundesländern mit gleichen Funktionen auch geregelt. Ich sehe die Konstellation eher als Vorteil, da ich bei Bedarf kurze Informationswege habe und als FLSB Themen direkt an der richtigen Stelle platzieren kann.

#ZUKUNFTblog: Sie sind nun seit anderthalb Jahren im Amt. Welche Reaktionen erleben Sie und was haben Sie schon konkret erreicht?

Jörg Puchmüller: Ich habe von Anfang an auf allen Seiten offene Türen, aber auch eine hohe Erwartungshaltung erlebt. Natürlich bei manchem auch etwas Skepsis. Gerade die Vertreter der Bürgerinitiativen haben das neue Angebot dankbar angenommen und nutzen es rege. Inzwischen hat sich hier ein regelmäßiges Dialogformat entwickelt. Da besprechen wir offen alle relevanten Themen und ziehen bei Bedarf weitere Fachleute hinzu. Auch mit der Betreiberseite gibt es fortlaufend Gespräche, sei es mit dem Flughafen, der Flugsicherung oder auch den Airlines. Insgesamt ist so ein gutes Klima entstanden, in dem man sich zu den konkreten Themen austauschen und nach Verbesserungen suchen kann. Durch diese neue Schnittstellenfunktion ist es auch möglich, Verständnis für die jeweils andere Seite zu wecken und Dinge zu erklären. Das ist denke ich schon eine wesentliche Verbesserung gegenüber früher. Darüber hinaus läuft eine Vielzahl von konkreten Einzelprojekten, z. B. zu Flugrouten- und Verfahrensoptimierungen.

»Ich habe von Anfang an auf allen Seiten offene Türen, aber auch eine hohe Erwartungshaltung erlebt. Natürlich bei manchem auch etwas Skepsis.«

Jörg Puchmüller, Fluglärmschutzbeauftragter des Freistaates Sachsen

#ZUKUNFTblog: Gibt es mit Leipzig/Halle vergleichbare Flughäfen und wie ist der Erfahrungsaustausch untereinander?

Jörg Puchmüller: In Deutschland kann man Leipzig/Halle eigentlich nur mit dem Flughafen Köln/Bonn vergleichen. Dort gibt es ein Frachtflugdrehkreuz zweier großer amerikanischer Logistiker und auch Nachtflugbetrieb. Ich habe bisher eine Vielzahl von persönlichen Kontakten zu Kolleginnen und Kollegen anderer Flughäfen aufgebaut, von Berlin über Köln, Frankfurt bis hin nach Wien oder Zürich. Überall wurden dort in den vergangenen Jahren gute Erfahrungen, gerade mit Flugverfahrensoptimierungen, Bürgerbeteiligung oder auch komplexen Mediationsverfahren gemacht. Im November 2022 haben wir alle Kollegen nach Leipzig eingeladen und uns über die Arbeit und aktuelle Projekte ausgetauscht. Ich denke, wir können da viel voneinander lernen.

#ZUKUNFTblog: Der Flughafen Leipzig/Halle sieht sich in seinem direkten Umfeld mit einer kritischen Öffentlichkeit konfrontiert: Gegner des geplanten Flughafenausbaus fürchten eine deutlich höhere Lärmbelastung und lehnen die Erweiterung ab. Wie realistisch sind Kompromisse, mit denen sowohl die Wirtschaft als auch die Anwohner umgehen können?

Jörg Puchmüller: Dass durch einen möglichen weiteren Ausbau des Flughafens die Belastungen in seinem Umfeld nicht abnehmen, liegt auf der Hand. Die vielen Einwände von Bürgern und auch Kommunen im laufenden Planänderungsverfahren zeigen die Befürchtungen einer Mehrbelastung. Hier treffen wir auf ein Spannungsfeld zwischen der positiven wirtschaftlichen Entwicklung des Standortes und den Auswirkungen im Umfeld. Ich denke, es wäre gut, wenn hier Kompromisse gefunden werden. Die Menschen möchten einfach nicht immer mehr zugemutet bekommen und wissen, wo die Grenze ist. Denkbar sind hier zum Beispiel festgelegte Lärmobergrenzen oder eine Lärmquote. Das würde auch mittelfristig Anreize zum Einsatz leiserer Flugzeuge setzen.

»In Leipzig/Halle treffen wir auf ein Spannungsfeld zwischen der positiven wirtschaftlichen Entwicklung des Standortes und den Auswirkungen im Umfeld.«

Jörg Puchmüller, Fluglärmschutzbeauftragter des Freistaates Sachsen

#ZUKUNFTblog: Welche Unterschiede bei der Lärmbetroffenheit stellen Sie zwischen den beiden sächsischen Flughafenstandorten Leipzig/Halle und Dresden fest?

Jörg Puchmüller: Einen gewaltigen. In Dresden spielt das Thema Fluglärm nahezu keine Rolle. Mich hat bisher gerade mal eine Zuschrift erreicht. Leipzig ist der klare Schwerpunkt meiner Arbeit.

#ZUKUNFTblog: Seit Januar 2021 gibt es bereits einen Regionalbeauftragten für den Flughafen Leipzig/Halle. Worin besteht die Abgrenzung bzw. die Aufgabenteilung beider Funktionen?

Jörg Puchmüller: Der Regionalbeauftragte wurde ohne staatliche Beteiligung vom Flughafen Leipzig/Halle zur Verbesserung des Dialogs zwischen dem Unternehmen und den Kommunen im Umfeld des Flughafens eingesetzt. Für den FLSB liegt der Schwerpunkt eher im Bereich Umwelt- und Lärmschutz. Aber natürlich gibt es Schnittmengen, über diese haben wir uns bisher regelmäßig ausgetauscht.

#ZUKUNFTblog: Wohin und aus welchem Anlass sind Sie zuletzt ab Leipzig/Halle oder Dresden geflogen?

Jörg Puchmüller: Normalerweise nutze ich bei Dienstreisen die Bahn oder die E-Mobilität des Freistaates. Letztes Jahr ging es mal mit dem Flugzeug von Dresden nach Zürich, dort hatte mich eine Bürgerinitiative zum Erfahrungsaustausch eingeladen. Da es in der Schweiz noch keine FLSB gibt, möchte man dort eine entsprechende Initiative starten. Bei der Gelegenheit konnte ich mich auch mit Vertretern des Flughafens Zürich zu Flugroutenoptimierungen und Projekten der Lärmminderung austauschen. Verschiedene Aspekte sind dabei auch für Leipzig/Halle sehr interessant.

#ZUKUNFTblog: Vielen Dank für das Gespräch.

Bild oben: Jörg Puchmüller (links) im Gespräch mit Steffen Mäder, Leiter Lärm-/Umweltschutz an den mitteldeutschen Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden. (Bildrechte: SMWA, www.ronaldbonss.com)

»Frachtrekorde und Fluggastflaute: Wohin steuern Sachsens Flughäfen?«

Die Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden sind wichtige Job-Motoren und Wirtschaftsfaktoren in Sachsen. DHL betreibt in Leipzig Europas modernsten Umschlagplatz für Expressluftfracht. Am Flughafen selbst arbeiten in den rund 120 angesiedelten Unternehmen über 12.000 Beschäftigte. In unmittelbarer Nachbarschaft des Airports sind Konzerne wie Amazon, Porsche, BMW und Beiersdorf tätig. Der Flughafen Dresden ist wiederum fest in Europas größtes Mikroelektronik-/IT-Cluster Silicon Saxony integriert. Weltweit agierende Konzerne haben sich im direkten Umfeld des Dresdner Flughafens angesiedelt, darunter sind Globalfoundries, Infineon und Bosch.

2022 hat Staatsminister Martin Dulig eine Folge seiner Diskussionsreihe »Martin Dulig | Konkret« den sächsischen Flughäfen gewidmet. Mit Gästen aus Politik und Wirtschaft erörterte er die zentrale Frage: »Frachtrekorde und Fluggastflaute: Wohin steuern Sachsens Flughäfen?« Seine Gesprächspartner waren Götz Ahmelmann, Vorstandsvorsitzender der Mitteldeutschen Flughafen AG, der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung und Michael Kluge, Senior Director Aviation Affairs der DHL-Tochter European Air Transport Leipzig GmbH. In Video-Einspielern kam u.a. Sachsens Fluglärmschutzbeauftragter Jörg Puchmüller zu Wort.

Die im Check-in-Bereich des Flughafens Leipzig/Halle aufgezeichnete Sendung beleuchtete u.a. die Entwicklung des Flugaufkommens während der Pandemie, die Zukunft von Inlandsflügen und die Rolle der Flughäfen bei der Akquise von Investoren, Touristen, Messen und Kongressen. Gleichzeitig setzte sich die Diskussion mit der Entwicklung des Airports Leipzig/Halle aus Sicht der Flughafenanrainer auseinander: Wie kann es gelingen, den Standortausbau mit dem Leben der Menschen in der Region zu vereinbaren?

Ausblick: Thementag Luftverkehr am 10. Mai

Um den Stellenwert der Luftfahrtindustrie für die sächsische Wirtschaft zu beleuchten, widmet Minister Dulig einen seiner nächsten Thementage den aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen dieser Branche. Er wird u.a. die Elbe Flugzeugwerke GmbH in Dresden besuchen, die sich auf die Flugzeugwartung sowie den Umbau von Passagier- und Frachtflugzeugen spezialisiert haben.


Ein Gedanke zu “Viel um die Ohren: Sachsens Beauftragter für Fluglärmschutz im Gespräch


Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

zurück zum Seitenanfang