Hauptinhalt

#ZUKUNFTblog

Der lange Weg zum Traumberuf – ein syrischer Busfahrer unterwegs in der Lommatzscher Pflege

Der lange Weg zum Traumberuf – ein syrischer Busfahrer unterwegs in der Lommatzscher Pflege

Die Arbeitsmarktmentorinnen und -mentoren helfen Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund, beruflich in Sachsen Fuß zu fassen. Dafür begleiten sie sie auf dem gesamten Weg, das heißt von der Berufsausbildung bis zur Beschäftigung und unterstützen dabei auch deren (potenzielle) Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber. Wir stellen hier gelungene Beispiele aus den unterschiedlichen Regionen Sachsens vor. Den Anfang macht ein Projekt aus Meißen. Es geht darum, wie Nehad Hamoud aus Syrien und die Verkehrsgesellschaft Meißen dank der Arbeitsmarktmentorin Manuela Stockhause zueinander gefunden haben. Zusammengefasst hat es Katja Gneupel.

Im Gespräch sind Jens Dehnert, Geschäftsführer der Verkehrsgesellschaft Meißen (VGM), Maria Römer, Personalleitung VGM, Nehad Hamoud, Mentee und Busfahrer sowie Manuela Stockhause von den Arbeitsmarktmentoren Sachsen.

Manuela Stockhause: Herr Hamoud, seit wann sind Sie in Sachsen und wann war der erste Kontakt mit den Arbeitsmarktmentoren?

Nehad Hamoud: Ich bin seit Oktober 2015 in Sachsen und seitdem auch in Meißen.

Manuela Stockhause: Dann haben Sie sicherlich erstmal die Sprachkurse besucht und den Führerschein für den Bus gemacht?

Nehad Hamoud: Zuerst habe ich einen Deutsch-Kurs Niveau B1 gemacht. Dann eine Prüfung für den Integrationskurs ›Leben in Deutschland‹ und danach den Führerschein Klasse B und Klasse D.

Manuela Stockhause: Und wann kamen Sie zu den Arbeitsmarktmentoren?

Nehad Hamoud: Ich habe im Juli 2020 bei den Arbeitsmarktmentoren angerufen und wir haben einen Termin ausgemacht.

Manuela Stockhause: War es von Anfang an ihr Wunsch Busfahrer zu werden?

Nehad Hamoud: Ja, in meinem Land habe ich auch als Busfahrer gearbeitet. Weil ich eine große Familie habe, war ich auf der Suche nach einer Stelle in Meißen. Dann kann ich in der Pause nach Hause gehen.

Manuela Stockhause: Seit 2020 sind Sie bei den Arbeitsmarktmentoren und wie ist es dazu gekommen, dass Sie dann bei der VGM begonnen haben?

Nehad Hamoud: Ich habe viele Stellen gesucht, aber ohne Erfolg. Wegen Corona gab es viele Absagen. Ab August 2021 habe ich bei der VGM über mehrere Wochen ein Praktikum gemacht. Und am 1. November 2021 konnte ich dann meinen Vertrag mit der VGM unterschreiben.

Manuela Stockhause: Sie leben ja jetzt schon sehr lange in Sachsen. Was war bis heute das Schwerste auf Ihrem Weg?

Nehad Hamoud: Das sind zwei Dinge. Ich habe lange nach einer großen Wohnung gesucht, die für sechs Personen reicht.  Aber jetzt habe ich eine gefunden. Und viel Bürokratie…

Von links nach rechts: Jens Dehnert, Maria Römer, Nehad Hamoud

Manuela Stockhause: Herr Dehnert, Sie haben bisher drei Geflüchtete als Busfahrer integriert. Wie sind Ihre Erfahrungen?

Jens Dehnert: Ja wir suchen händeringend Busfahrer und da ist uns die Herkunft unserer künftigen Mitarbeiter natürlich völlig egal. Und wenn uns die Agentur für Arbeit entsprechende Vorschläge macht, haben wir gerne zugegriffen, so wie hier beim Herrn Hamoud.

Manuela Stockhause: Wer unterstützt Sie neben der Agentur für Arbeit bei der Suche nach Mitarbeitern?

Maria Römer: Das Jobcenter. Ich glaub, auch damals sind wir übers Jobcenter dann zu Ihnen gekommen. Es war für uns völlig neu, dass es da Leute gibt wie Sie, die sich auch gezielt um Geflüchtete oder Leute mit Migrationshintergrund kümmern. Das finde ich ganz toll und wichtig. Wie wir ja festgestellt haben, gibt es sehr viel Bürokratie und wenn ich eine Sprache grad lerne, ist das kaum allein zu bewältigen und da ist es toll, dass es Leute gibt, die sich einsetzen und unterstützen. Genau deswegen freuen wir uns auch sehr, dass wir diesen Kontakt jetzt haben und immer mal wieder mit Ihnen telefonieren. Unsere Hoffnung ist, dass wir noch mehr so engagierte junge Menschen wie den Herrn Hamoud finden, die sich dann bei uns einbringen können.

Manuela Stockhause: Was würden Sie sich wünschen, um Menschen mit Migrationshintergrund oder Fluchthintergrund einfacher oder leichter zu integrieren?

Maria Römer: Also das Erste, was mir bei der Frage in den Kopf geschossen ist, ist wirklich die Unterstützung was das ganze Thema Deutsch lernen angeht. Also ich weiß, dass es die Deutschkurse gibt, aber die Wartezeiten sind zum Teil sehr lang. Herr Hamoud ist seit 2015 bei uns und wir haben erst sechs Jahre später zueinander gefunden, das ist eine sehr lange Zeit. Er hat vorneweg in Hilfstätigkeiten gearbeitet, sicherlich auch aus einem sprachlichen Hintergrund. Und da wäre es natürlich schon schön, wenn man die Leute einfach schneller in den Arbeitsmarkt bringt. Oder dass man schneller die Möglichkeit bekommt, eine Weiterbildung zu machen. Aber dafür brauchen wir wieder ein gewisses Sprachniveau. Das kennen wir auch von unserer Fahrschule, mit der wir sehr eng zusammenarbeiten. Das Sprachniveau muss in einem Minimum da sein, weil es ist nicht so, dass wir »nur« einen Busführerschein machen. Es ist ja die Berufskraftfahrerqualifikation und der Personenbeförderungsschein mit dabei. Da hängt eine IHK-Prüfung dran. Also das sind nicht nur Kreuzchen setzen an einem Bild mit Vorfahrtsstraße oder Stoppstraße. Es werden Inhalte vermittelt und dass ist mit Migrationshintergrund schwieriger. Deswegen fände ich dort die Deutschunterstützung sehr wichtig.

Von links nach rechts: Jens Dehnert, Manuela Stockhause, Nehad Hamoud

Mit Herrn Hamoud haben wir auch diesbezüglich – besonders im Praktikum – Gespräche gehabt. Weil wir uns da ja auch sprachlich alle ein bisschen zusammenfinden mussten.  Das haben wir gut hinbekommen, da sind wir auch sehr froh drum. Heute haben wir auch keine Schwierigkeiten. Also es ist klar, dass grad am Anfang unser Funk, da wird der Herr Hamoud mir zustimmen, schon schwierig zu verstehen ist. Funk ist eh schon schwer und dann noch in einer fremden Sprache. Wir Sachsen haben auch einen sehr starken Dialekt. Das macht‹s dann manchmal vielleicht nicht leichter. Aber da hat er sich sehr gut reingefunden.

Wie gesagt, Deutschkurse wären wirklich sehr hilfreich. Wenn man dort die Leute schneller reinbringt und aber auch diesen Kontakt zu den Firmen. Also ich bin jetzt sehr froh, dass wir den Kontakt zu Ihnen gefunden haben oder wir uns irgendwie gemeinsam gefunden haben. Das sollte viel einfacher oder öffentlicher sein, dass man nicht erst suchen und finden muss, sondern man weiß: »Ah, an die und die Stelle kann oder darf oder muss ich mich sogar wenden, wenn ich gewisse Dinge brauche oder möchte«. Das denk ich und hoffe ich, dass das vielleicht auch mit der Aktion jetzt bisschen mehr in den Vordergrund gerückt wird, dass die Leute auch Kenntnis haben.

Manuela Stockhause: Sie haben ja die Qualifikation zum Berufskraftfahrer angesprochen.

Da gibt es ja bestimmte Zugangsvoraussetzungen. Unter anderem ist dort zwingend erforderlich, dass ein Berufsabschluss oder Studienabschluss vorliegt. Wie zwingend notwendig ist das für Sie?   

Jens Dehnert: Bei uns ist für Quereinsteiger der Berufsabschluss nicht zwingend notwendig. Bei uns ist der Führerschein und die entsprechende Qualifikation zur Fahrgastbeförderung Voraussetzung und natürlich auch die deutsche Sprache, da wir ein Dienstleistungsunternehmen sind und auch unsere Kunden beraten und auch mal eine Hilfestellung geben.

Manuela Stockhause: Kann man dann im Zuge einer weiteren Qualifizierung den Berufskraftfahrer noch machen? Wenn es zum Beispiel über das Qualifizierungschancengesetz Unterstützungsmöglichkeiten gibt? Sodass der Herr Hamoud zum Beispiel am Ende einen Berufsabschluss in der Hand hätte?

Jens Dehnert: Das ist bei uns nicht zwingend Zugangsvoraussetzung. Und bei Herrn Hamoud ist – denke ich – erstmal die Sprache wichtig, um dann eventuell eine Weiterqualifikation anzudenken. Aber in unserem Unternehmen ist dies keinesfalls zwingend erforderlich. Herr Hamoud ist eingestellt und eingruppiert wie jeder andere Busfahrer auch. Wir haben einen Tarifvertrag und da unterscheiden wir nicht nach Berufskraftfahrer oder Quereinstieg.

Manuela Stockhause: Das erleichtert es für viele. Und Herr Hamoud ist ja auch mit einer über 10-jährigen Erfahrung als Busfahrer hierhergekommen, aber ohne Zeugnis darüber. Aber er wollte nie etwas Anderes als Bus fahren.

Maria Römer: Das hat man in der Einarbeitung schon gemerkt, dass wir es nicht mit einem blutigem Busfahreranfänger zu tun haben, sondern dass der Herr Hamoud auch sicherlich andere Straßengegebenheiten gewöhnt ist. Gerade die Linienkenntnis hat er sehr schnell beherrscht. Also, wo man jetzt vielleicht gedacht hätte, er ist nicht nur ortsfremd in Meißen, sondern insgesamt landesfremd gewesen. Er hat sehr schnell unsere Linienkenntnis gehabt und wusste, wo er langfahren muss. Was immer so unsere Lieblingsbeispiele sind: unsere Linien in der Lommatzscher Pflege. Wo sich das bei jeder Runde so anfühlt – biegst mal dort ab oder dort oder dort. Und da hat Herr Hamoud sehr viel Engagement gezeigt und sich schnell zurechtgefunden. Das hat er sehr schnell beherrscht, das hat sehr gut funktioniert. 

Manuela Stockhause: Müssen die Interessenten den Busführerschein schon mitbringen oder gibt es die Möglichkeit, zusammen mit Agenturen, Jobcentern das berufsbegleitend oder im Anstellungsverhältnis oder Ähnlichem da schon zu machen.

Maria Römer: Es ist immer sehr schön, wenn wir die Führerscheine schon haben.

Was in dem ganzen Eingliederungsprozess von Herrn Hamoud auch sehr hilfreich war, war die weitere Begleitung in den ersten Monaten nach der Arbeitsaufnahme. Weil dann die Menschen die Arbeitsmarktmentorinnen noch mit an der Hand haben, was Behördengänge und sonstige Unterstützung angeht. Wir merken auch bei unseren deutschen Bewerbern, dass wir viel mit dabei sein müssen, einfach aufgrund der Bürokratie. Wenn ich dann noch eine Sprachbarriere habe, ist es ja ganz toll, wenn dann Dolmetscher mit dabei sind und noch ganz anders unterstützen können. Das können wir aber nicht leisten. Wir sind zwar auch im engen Kontakt mit Jobcenter und Agentur. Aber gerade im Bereich der Migration würde ich begrüßen, wenn das noch in diesem geschützten Raum mit passiert, wo man einfach eine andere Unterstützung an der Hand hat, auch um es für den Bewerber leichter zu gestalten. Und ja, wir nehmen gerne noch drei-, viermal den Herrn Hamoud und auch von den anderen jungen Herrn, die sie uns vermittelt haben. Also wir sind sehr zufrieden.

Manuela Stockhause: Herzlichen Dank für das Gespräch.  

Zum Programm Arbeitsmarktmentoren Sachsen

Die Arbeitsmarktmentorinnen und -mentoren sind als wichtige Integrationsakteure in ganz Sachsen etabliert. Insgesamt gibt es 14 Projekte mit mehr als 70 Mentorinnen und Mentoren. Um Abbrüche zu vermeiden, unterstützen sie bei Bedarf auch nach dem beruflichen Einstieg – ein Angebot, das häufig in Anspruch genommen wird.

In der jetzigen Programmphase (1. Januar 2020 bis 30. Juni 2023) konnten folgende Erfolge erzielt werden:

  • über 3.700 Teilnehmende sowie mehr als 1.600 Arbeitgebende begleitet,
  • über 1.500 Teilnehmende in Beschäftigung vermittelt und
  • über 370 Teilnehmende in Berufsausbildung vermittelt.

Darüber hinaus unterstützt das ZEFAS – Zentrum für Fachkräftesicherung und Gute Arbeit Sachsen – mit einer fachlich-inhaltlichen Programmbegleitung die Arbeit der Mentorinnen und Mentoren.


Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

zurück zum Seitenanfang