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Medizinisches Cannabis »made in saxony« – DEMECAN in Ebersbach

Medizinisches Cannabis »made in saxony« – DEMECAN in Ebersbach

Gleißend gelbes Licht blendet die Augen, sobald sich die Türen zu einem der vier Anbauräume öffnen. Mit 24 Grad ist es dort angenehm warm, die Luftfeuchtigkeit beträgt ca. 55 Prozent. Kleine Nützlinge schwirren über den Pflanzen, schützen vor Raubmilben und anderem Ungeziefer. Zwischen den Pflanzen sitzen Mitarbeiterinnen, welche Triebe stutzen oder  Blätter entfernen. Alles erinnert an eine Großgärtnerei – wenn nur nicht überall penibel auf klinische Hygiene geachtet würde und jeder Raum nur mit spezieller Codekarte zugängig wäre. Denn in den »Gewächshäusern« bei DEMECAN in Ebersbach bei Moritzburg, wachsen Cannabis-Pflanzen, die auf dem freien Markt nicht legal sind. Wirtschaftsminister Martin Dulig besuchte nun die Firma.

Constantin von der Groeben ist einer der drei Gründer von DEMECAN (ausgesprochen: Deutsches Medizinal-Cannabis). Als Start-Up wurde die Firma 2017 in seiner Berliner Wohnküche gegründet: »Erst war es nur eine Idee. Dann begann die Arbeit: Wir mussten Anträge stellen, viele Auflagen erfüllen. Denn Cannabis darf in Deutschland nicht jeder anbauen.« 117 Bewerber gab es, die sich darum bewarben, medizinisches Cannabis in Deutschland anbauen zu dürfen. 2019 bekam DEMECAN die Lizenz vom Staat. Nur zwei weitere Firmen schafften es ebenfalls eine Lizenz zu bekommen, die damit nun in Deutschland Cannabis produzieren dürfen.

Constantin von der Groeben
Bild: SMWA

Die Entwicklung wurde durch die Corona-Pandemie ausgebremst. Von der Groeben: »Der Standort war schnell gefunden. Ein ehemaliger Schlachthof in Moritzburg/Ebersbach suchte eine neue Verwendung. Der ideale Standort! Denn Betäubungsmittel dürfen nur in Räumen mit Böden, Wänden und Decken aus 24 Zentimeter dickem Stahlbeton gelagert werden. Leerstehende Industriehallen mit so massiven Decken gibt es aber sehr selten. Ein Neubau wäre extrem teuer und Energieaufwendig. Hier sind einige Wände sogar teilweise 70 Zentimeter dick, weil dort Kuh- und Schweinhälften an der Decke entlanggeführt wurden. Alles muss höchste Sicherheitsstandards erfüllen.« Die Wände bei DEMECAN sind mit Körperschallmeldern versehen, alle Türen mit elektronischen Schlössern gesichert. Sowohl im Anbau, bei der Ernte, der Verarbeitung und im Versand gelten strengste Schutzvorschriften. Pflanzenreste, die nicht für medizinische Produkte taugen, müssen überwacht verbrannt werden.

»Die Behörden in Sachsen waren unserer Idee hier Cannabis anzubauen deutlich aufgeschlossener als in anderen Bundesländern«, so von der Groeben. »Wir haben viel Unterstützung erhalten. Im kommenden Jahr wollen wir den Sitz unserer Holding von Berlin hierher verlegen.« Baustart war im März 2021. Seit diesem Jahr läuft die Produktion der Pflanzen. Die erste Auslieferung erfolgte am 20. April dieses Jahres. »Unsere Produkte sind erstklassig, rein biologisch, und entsprachen allen Vorgaben der Cannabis-Agentur.« Inzwischen arbeiten 98 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei DEMECAN – 17 Betriebshunde (Haustiere der Mitarbeiter) ergänzen das Team. 

Produktion bei DEMECAN
Bild: SMWA

1 Tonne Cannabis wird derzeit jährlich produziert. Constantin von der Groeben: »Wir produzieren damit 60 Prozent des in Deutschland legal angebauten Cannabis. Der Medizinmarkt in Deutschland benötigt allerdings schon jetzt 20 Tonnen, der Bedarf steigt jährlich. Ärzte verschreiben zusehends mehr. Aber wir dürfen nicht mehr produzieren. Rechnerisch könnten wir schon jetzt mehr als das Doppelte produzieren. So wird Cannabis aus dem Ausland derzeit zugekauft – für uns völlig unverständlich.« 

Medizinischer Cannabis-Anbau ist aufwändig: »Wir müssen konstant festgeschriebene Wirkstoffanteile erreichen und dürfen vom Zielwert, also zum Beispiel 20 Prozent THC, nur maximal 10 Prozent nach oben oder unten abweichen. . Diese Vorgaben Ernte für Ernte einzuhalten, ist extrem anspruchsvoll. Das schafft man nur, wenn man in geschlossenen Räumen Licht, Nährstoffe, Temperatur und Luftfeuchtigkeit ganz genau reguliert und einstellt«, erklärt der studierte Jurist von der Groeben, als hätte er nie etwas anderes als Pflanzenzucht gelernt. Sollte die Freigabe von Cannabis im Jahr 2024 erfolgen, könnten – nach einem weiteren Ausbau der Produktionsstätte – bis zu 10 Tonnen jährlich geerntet werden. Der Bedarf dann wird auf 65 Tonnen in Deutschland geschätzt. Ihre Pflanzen ziehen die Ebersbacher selbst. Eine eigene Forschungsabteilung tüftelt an neuen Sorten – die später auch an andere Betriebe verkauft werden können.

Fast 20 Millionen Euro hat DEMECAN allein in den Umbau der Produktionsstätte investiert – der Freistaat Sachsen beteiligte sich u.a. über seine Bürgschaftsbank und GRW-Investitionszuschüsse mit rund einem Drittel. Wirtschaftsminister Martin Dulig: »Schon seit langem ist bekannt, welche medizinisch-therapeutische Wirkung Cannabis hat, etwa in der Schmerzbehandlung oder als Beruhigungsmittel. Dieses Cannabis muss natürlich kontrolliert angebaut werden und höchsten Ansprüchen genügen. Wir als Freistaat bekennen uns zu diesem Start-up, hier steckt Innovation drin.«

Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (2 v.R.) beim Betriebsrundgang.
Bild: SMWA

Der Rundgang des Ministers durch die Anlagen von DEMECAN gestaltet sich »schwieriger« als gedacht: Dreimal müssen die Schuhe gewechselt werden, zweimal die Kleidung. Haar-, Mund-Nase- und Bartschutz gehören ebenso zu den Hygienevorschriften, wie das zweimalige Waschen der Hände vor dem Betreten der Anbauräume. In einem der Räume riecht es nach Orange – die Sorte »Orange-Velvet« wird hier angebaut, 600 Pflanzen rekeln sich dem gelb-grellen Licht der Natrium-Dampflampen entgegen. Die Sorte hat einen mittelstarken THC-Gehalt – wird als Beruhigungsmittel später verwendet. 

Aktuell gibt es die Debatte in Deutschland zur Legalisierung und Entkriminalisierung von Cannabis. »Wir sehen in einer Genussmittellegalisierung eine riesige Chance für unser Produktionsstätte in Ebersbach und würden dann auch ausbauen und weitere Mitarbeiter*innen einstellen wollen. Der Vorteil wäre, dass unsere Produkte eben kontrolliert angebaut werden, von hoher Qualität sind und der Schwarzmarkt mit all seinen negativen Begleiterscheinungen verdrängt wird«, sagt von der Groeben. 

Bis dahin aber werden sich die Ebersbacher weiter auf ihre Medizinprodukte konzentrieren. Constantin von der Groeben: »Wir wollen Cannabis als Medizin weiterentwickeln – von der Blüte hin zu Extrakten. Die kann man noch genauer dosieren und leichter einnehmen. In der Palliativbehandlung im Krankenhaus ist es zum Beispiel praktikabler, wenn Sie Cannabis nicht inhalativ konsumieren, sondern etwa als Tropfen bekommen, zum Beispiel mit dem Essen.«


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