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Porzellanerde – Sachsens Kaolin und Träger der gekreuzten Kurschwerter

Porzellanerde – Sachsens Kaolin und Träger der gekreuzten Kurschwerter

Etwa 10 Kilometer Luftlinie von der Meißener Albrechtsburg entfernt, liegt Europas kleinstes Bergwerk. Zwei Bergmänner fördern hier jeden Tag zwei bis drei kleine Hunte reinstes Kaolin in händischer Bergbauweise zu Tage und lagern es unter einem Beschlag der so auch schon vor 300 Jahren hier hätte stehen können. Das Kaolin –  oder Porzellanerde – das in Seilitz seit Jahrhunderten geförderten wird, ist besonders rein und in Europa einzigartig.

Der Grundstoff für Porzellan ist hier nahezu weiß, bröslig und zu einem großen Haufen getürmt. »Wir sind auf das Kaolin hier aus der Region angewiesen«, sagt Dr. Tillmann Blaschke, Geschäftsführer der Staatlichen Porzellanmanufaktur Meissen. »Ohne diesen wertvollen Grundstoff würden unsere ›Rezepte’ nicht funktionieren.« Das Meissener Porzellan, dessen Tradition auf August den Starken zurückgeht, wäre wohl ohne diese besondere Lagerstätte nur wenige Kilometer vom Epizentrum der europäischen Porzellantradition entfernt, undenkbar gewesen. Eine alte, aber immer noch hoch moderne Wertschöpfungskette, von der Erde bis hin zu den Schatzkammern der sächsischen Fürsten – oder heute in die Küchen und Speisezimmer der ganzen Welt. Eine Erfolgsstory made in Saxony. 

Dr. Tillmann Blaschke, Geschäftsführer der Porzellanmanufaktur Meissen
Bild: Ronald Bonss
Kaolin aus dem Bergwerk Seilitz.
Bild: SMWA / Ronald Bonss

Warum eine so alte Wertschöpfungskette heute von größerer Bedeutung als je zu vor ist, stand am 15. September 2022 im Fokus des SMWA-Rohstofftages. Einen Tag lang besuchte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig die Macherinnen und Macher des Sächsischen Porzellans – und diejenigen, ohne die das Porzellanherstellung nicht möglich wäre: Bergleute die das Kaolin heute im Tagebau oder bergmännisch im Freistaat Sachsen abbauen. Warum der heimische Kaolinabbau wichtiger denn je ist, machte Martin Dulig zu Beginn des Thementages deutlich: »Das sächsische Kaolin ist weit über Sachsen hinaus bekannt, da es eine hohe Qualität besitzt. Bislang bezogen Unternehmen große Mengen des Rohstoffs aus der Ukraine und Russland. Mit Beginn des russischen Angriffskrieges und der Ukraine im Februar fielen beide Produzenten weitestgehend aus. Insoweit wird sächsisches Kaolin immer wichtiger und wird zunehmend stark nachgefragt.« 

Tagebau Schleben-Crellenhain der Kemmlitzer Kaolinwerke.
Bild Ronald Bonss
Sachsens Bergbauminister Martin Dulig (l) und Prof. Dr. Bernhard Cramer (r) Leiter des Oberbergamt Sachsen im Tagebau Schleben-Crellenhain.
Bild: SMWA / Ronald Bonss

In Mügeln, ziemlich genau auf der halben Strecke zwischen Dresden und Leipzig im Landkreis Nordsachsen, wird Kaolin heute im großen Maßstab im Tagebau abgebaut. Die Kemmlitzer Kaolinwerke fördern hier im Tagebau Schleben-Crellenhain ca. 300.000 Tonnen jährlich und arbeiten das Kaolin wenige Kilometer weiter für die Keramikindustrie auf. Alexander Heiß, Geschäftsführer der Kemmlitzer Kaolinwerke, die wiederum ein Teil des Familienunternehmen Quarzwerke Frechen sind, ist stolz auf die Produktion und den Tagebau mitten in Sachsen. Seit dem 19. Jahrhundert wird Kaolin in der Region abgebaut und weiterverarbeitet. Dafür wird das Kaolin im Tagebau weiterbefördert und im Anschluss über Förderbänder direkt in die sog. Schlemmerei befördert wo die Quarzanteile aus dem Kaolin »geschwemmt« werden und das Kaolin quasi gereinigt wird. Bevor das Kaolin weiterverarbeitet werden kann, muss es noch gefiltert werden. Hierfür haben Kemmlitzer Kaolinwerke imposante Filteranlagen in denen das Kaolin gesammelt und im Anschluss zur weiteren Trocknung abgeschlagen wird. Zu den Endabnehmern kommt das Kaolin schließlich in Pelletform mit einem geringen Restfeuchteanteil. Hier wird das Kaolin schließlich mit Feldspat und Quarz angereichert, geformt und zu Porzellantellern, -tassen, -fliesen oder -toiletten gebrannt. 

Roh-Kaolin im Tagebau Tagebau Schleben-Crellenhain.
Bild: SMWA / Ronald Bonss
Bergbauminister Martin Dulig trennt gefiltertes Kaolin von den Filtermatten an. Bild: SMWA / Ronald Bonss
Geschlemmtes Kaolin vor der Weiterverarbeitung.
Bild: SMWA / Ronald Bonss

Kaolin ist ein feines, eisenfreies, weißes Gestein, das als Hauptbestandteil Kaolinit, ein Verwitterungsprodukt des Feldspats, enthält. Das Gestein lässt sich im Tagebau vergleichsweise leicht abbauen, da es relativ leicht und lose ist – beinahe wie trockener Ton zerfällt es in den Händen. Der Abbau der »weißen Erde« erfolgt in Sachsen in 12 Tagebauen und einem Bergwerk, wie Sachsens Oberberghauptmann, Prof. Dr. Bernhard Cramer, Leiter des Oberbergamtes betont: »Wir haben das Glück im Kaolin-Gürtel zu liegen, einer geologischen Zone, die hier in Sachsen besonders reines und feines Kaolin hervorbringt,« so Cramer. Besonders für die Keramik-Industrie hat dies besondere Vorteile, da das Kaolin hier besonders gut und mit weniger Aufwand weiterverarbeitet werden kann. 

Im wesentlich kleineren Maßstab wird das Kaolin für die Porzellanmanufaktur Meissen in Seilitz abgebaut. Der Stollen befindet sich derzeit im Rückbau, die Schächte werden verfüllt und abgesichert, bevor in wenigen Monaten wenige hundert Meter entfernt ein neuer, wesentlich modernerer Angriff eröffnet werden soll. Das Schachtgebäude zieren bereits die berühmten Meissner Schwerter. Doch bevor es an neuer Stelle losgehen kann, werden die letzten Schubkarren feinstes Kaolin händisch gefördert. Vorarbeiter Andreas Kawka arbeitete bereits bei der Wismut, nun ist er einer der wichtigsten Mitarbeiter der Porzellanmanufaktur, denn ohne das Kaolin aus Seilitz geht in der Manufaktur nichts. Geschäftsführer Blaschke beruhigt: »Unsere Vorräte reichen.« Der »Umzug« des Stollens wurde von langer Hand geplant. 

Bergmann Andreas Kawka im Bergwerk Seilitz.
Bild: Ronald Bonss / SMWA
Andreas Kawka, Tilmann Blaschke und Martin Dulig in Seilitz (v.l.). Bild: SMWA / Ronald Bonss

Warum Kawka einer der wichtigsten Mitarbeiter ist, sieht man, wenn man die modernen Empfangsgebäude der Porzellanmanufaktur betritt. Im Museum ist eine eigene Wand dem Kaolin-Abbau gewidmet. Hier wird erklärt, wie das Kaolin durch mühsame Handarbeit gefördert wird. Ein Bild ist Andreas Kawka gewidmet, der hier gewissermaßen Kultstatus als manufaktureigener Bergmann genießt – ohne den hier keine Figur und keine Tasse die Manufaktur verließe. Handarbeit von Anfang an wird in MEISSEN Großgeschrieben. 

In der Porzellanmanufaktur wird das Kaolin schließlich mit Feldspat und Quarz zu Roh-Porzellan verarbeitet. Was in den Kemmlitzer Kaolinwerke im industriellen Maßstab geschieht, passiert in der Manufaktur im kleinen Maßstab. Das Kaolin wird in über 100 Jahre alten Schwimmbecken geschlemmt, im Anschluss gefiltert und schließlich in Rohform gepresst. Im Anschluss geschieht die Magie der Porzellanmanufaktur MEISSEN . Industriekeramikerinnen und Industriekeramiker gießen das Porzellan in Formen und nach einer kurzen Trocknung wird das Porzellan schließlich verziert und für den Brand vorbereitet. In vielen kleinen und handwerklichen Arbeitsschritten entstehen so echte Kunstwerke die Jahrhunderte überdauern können. Berühmt ist das Meissener Porzellan für seine kunstvollen Figuren, die sowohl im Dresdner Schloss also auch im manufaktureigenen Museum bestaunt werden können. Besondere Stücke erzielen Höchstpreise im Kunsthandel und werden von Sammlern geschätzt und geliebt. Ein echtes sächsisches Kulturgut, das ohne das Kaolin aus Seilitz wohl nicht zu so einer Blüte hätte gelangen können. 

Endbearbeitung in der Keramikwerkstatt. Bild: SMWA / Ronald Bonss
Die hohe Kunst des Meissner Porzellan. Bild: SMWA / Ronald Bonss
Weltbekannt: Die Meissner Schwerter. Bild: SMWA / Ronald Bonss

Zum Ende des Rohstofftages dürfte Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig selbst die berühmten Meissner Schwerter auf eine Tasse malen. Im Anschluss zeigte er sich beeindruckt. »Besonders fasziniert bin ich immer wieder von der künstlerischen Handwerkskunst, die hier gezeigt wird. Das Porzellan von MEISSEN ist ein echter Botschafter für Sachsen. Immer wieder nutzen wir die edlen Stücke für Gastgeschenke im Ausland und ernten Bewunderung und Anerkennung für diese Art der lebendigen Kultur- und Handwerksgeschichte aus Meißen.”

Vom sächsischen Tagebau zum fertigen Keramikprodukt oder zum prachtvollen Kunsthandwerk ist es für das Kaolin in Sachsen keine weite Reise. Die Wertschöpfungskette hat kurze Wege auf deren Weg viele Menschen profitieren. Sie geben ihnen Arbeit und den Verbraucherinnen und Verbrauchern echte Produkte Made in Saxony. Für Martin Dulig ist deshalb klar: »Für eine Industrienation wie Deutschland ist es wichtig, dass wir möglichst die gesamte Wertschöpfungskette abbilden können, um Abhängigkeiten von anderen Staaten zu vermeiden. So können wir auch sicherstellen, dass beim Abbau sozial und ökologisch höchsten Standards eingehalten werden und Arbeitsplätze in der Region entstehen. Der Kaolinabbau ist dafür ein gutes Beispiel.«

Weitere Informationen zum Rohstofftag Kaolin in unserer Video-Dokumentation auf YouTube.com:


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