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Projekt Wildpflanzenpark: Gegen öde Orte ist in Oederan ein Kraut gewachsen

Projekt Wildpflanzenpark: Gegen öde Orte ist in Oederan ein Kraut gewachsen

Oederan hat 2022 neben Freiberg einen der beiden ersten Preise des 19. Innenstadtwettbewerbs »Ab in die Mitte! Die City-Offensive Sachsen« erhalten. Der Freistaat hat die mit 30.000 Euro dotierte Auszeichnung für das Projekt »Ernährung neu gedacht – Essbare Wildpflanzen in der Stadt« vergeben. Wie steht es um das Vorhaben und die Innenstadt der Kleinstadt (7.700 Einwohner) im Landkreis Mittelsachsen? Der #ZUKUNFTblog hat dazu Marco Metzler vom Stadtmarketing Oederan befragt.

#ZUKUNFTblog: Oederan hat sich mehrmals erfolgreich an der City-Offensive »Ab in die Mitte!« beteiligt. Welche Erfahrungen hat die Stadt dabei gesammelt und welchen Mehrwert bringt Ihnen der Wettbewerb?

Marco Metzler: Unsere Stadt hat von 2004 bis 2022 achtzehn Mal am Wettbewerb teilgenommen. Der Initiativkreis prämierte dabei dreizehn unserer Ideen mit Geld- oder Sachpreisen. 2023 haben wir unser neunzehntes Projekt eingereicht.

Die City-Offensive ist für unsere Stadt herausgehoben bedeutsam. Eine Teilnahme ist Ehrensache. Die besondere Stellung des Wettbewerbs bewirkt, dass sich zahlreiche Akteure in der Stadt – von der Verwaltung bis zu engagierten Bürgern – alljährlich mit innerstädtischen Problemlagen beschäftigen. Der festgesetzte Turnus – von der Bekanntgabe des Jahresmottos bis zum Einreicheschluss – dient dabei als wiederkehrende Richtschnur.

Neben der freiwilligen Verpflichtung, alljährlich die Innenstadtsituation zu analysieren, hilft der Wettbewerb mit kreativen Einflüssen. Hier sind bereits die Ausschreibungsunterlagen nützlich. Dazu kommen die Anregungen aus den Kreativtreffs sowie den Auftakt- und Abschlussveranstaltungen. Letztlich lässt sich aber auch aus den Projekten anderer Städte einiges lernen.

Quelle: Stadt Oederan

2022 hat Oederan einen von zwei mit 30.000 Euro dotierten ersten Preisen für das Vorhaben »Ernährung neu gedacht – Essbare Wildpflanzen in der Stadt« gewonnen. Welche Bedeutung besitzt das Projekt für die Innenstadtbelebung von Oederan?

Nach mehreren zweiten und dritten Platzierungen gelang es uns im vergangenen Jahr erstmals, ganz oben im Wettbewerb zu stehen. Vom Projekt – dem Aufbau eines sogenannten EssbareWildpflanzenParks – versprechen wir uns sehr viel:

  • Erstens: Das Projekt soll ungenutzte Freiflächen einem Zweck zuführen und Brachen beseitigen.
  • Zweitens: Durch seine Einstiegsstation am »Klein-Erzgebirge« sollen Besucher des Miniaturparks u.a. in die Innenstadt geleitet werden.
  • Drittens: Da der Wildpflanzenpark mittels seiner Hinweistafeln auch unabhängig von aktiver Betreuung funktioniert, sollte er auch allein vermehrt Menschen in die Stadt, speziell ins Zentrum bringen.
  • Viertens: Unsere Wildpflanzenexperten planen, bald in einer »Wilden Schule« am Markt Mehrtageseminare anzubieten. Diese Seminare sind geeignet, Personen von außerhalb mehre Tage in das Stadtzentrum zu bringen. Diese Personen benötigen Übernachtungsmöglichkeiten, Gastronomie und Produkte des kurzfristigen Bedarfs. Folglich stützen die Gäste Handel und Dienstleistung in der Stadt.
  • Fünftens: Schon jetzt ist die mediale Aufmerksamkeit, die der Park auf sich zieht, enorm. Er hat sich damit schon in der Aufbauphase als nützlicher Boschafter für unsere kleine Stadt erwiesen.
Quelle: YouTube/Stadt Oederan

In welchem Stadium befindet sich das Vorhaben gerade? Wie wurde oder wird das Preisgeld konkret eingesetzt?

Das Vorhaben wird durch den neu gegründeten Verein »Wildes Oederan e.V.« und die Stadt intensiv vorangebracht. Im Herbst 2022 haben wir die ersten sieben Stationen des Parks errichtet und mit Informationstafeln versehen. Im November 2022 konnten wir sie gemeinsam mit dem Wildpflanzenexperten Dr. Markus Strauß einweihen. Zu unserem Erstaunen nahmen an diesem Rundgang zirka 250 Personen aus nah und fern teil.

Im Spätsommer 2023 haben wir drei Hinweistafeln bzw. Wegweiser errichtet – am Bahnhof, auf dem Parkplatz am Klein-Erzgebirge und im Erlebnisbad Oederan. Seit Oktober 2023 hat der Wildes Oederan e.V. einen Raum unmittelbar am Markt angemietet. Hier entsteht in den kommenden Wochen die bereits genannte »Wilde Schule«.

Derzeit arbeiten wir zudem an der achten Wildpflanzenparkstation. Sie entsteht ebenfalls unmittelbar am Marktplatz – genauer gesagt im Innenhof des Objektes »Drei Schwanen«. Diese Station soll unter den einzelnen Standorten herausstechen. Gern möchten wir hier neben der Vermittlung von Wissen über essbare Wildpflanzen bis zu zehn Sandsteinskulpturen des Kulturhauptstadtprojektes »Annaberger Impuls« zeigen. Diese Skulpturen sind im Sommer 2023 innerhalb eines Workshops in unserer Stadt entstanden. Nach Rücksprache mit den Kulturhauptstadtverantwortlichen dürfen die Skulpturen in Oederan verbleiben.

Das Preisgeld wird zweckgebunden für den Aufbau des Parks und dessen Betriebsstruktur verwendet. Ein Großteil wurde dazu von der Stadt an den Wildes Oederan e.V. ausgezahlt.

Übergabe des Preisgeldschecks an die Stadt Oederan. Bildrechte: Marco Metzler

Der stationäre Handel steht bundesweit vor Herausforderungen wie Online-Konkurrenz, Filialisierung, ungeklärte Unternehmensnachfolgen und inflationsbedingte Kaufzurückhaltung. Wie machen sich diese Einflüsse in Oederan bemerkbar?

In einer Kleinstadt mit gewöhnlich eng begrenztem Kaufkraftpotenzial zeigen sich Auswirkungen der vorgenannten Entwicklungen deutlicher als in größeren Kommunen. Entsprechend ist zunehmender Leerstand ein wichtiges Thema. Vor allem fehlende Unternehmensnachfolge wird dies in den kommenden Jahren verschärfen.

Wir versuchen, den Einflüssen nicht zuletzt durch Projekte im Rahmen des »Ab in die Mitte!«-Städtewettbewerbs kreativ entgegenzuwirken. Die Lösungsansätze zielen einerseits darauf, zusätzliche Frequenz für die bestehenden Geschäfte zu generieren. Andererseits haben sie das Ansinnen, einstige Geschäftsräume mit innovativen, von oben genannten Entwicklungen vergleichsweise gering tangierten Initiativen zu beleben, etwa der »Wilden Schule« oder dem »Regionalmarkt Oederan«.

Regionalmarkt Oederan. Bildrechte: Knut Berger

Oederan liegt auf halbem Weg zwischen dem Mittelzentrum Freiberg und der Großstadt Chemnitz. Was sind Alleinstellungsmerkmale des Oederaner Stadtzentrums bzw. welche weiteren Marketingmaßnahmen sollen die Einheimischen, die Bewohner der umliegenden Kommunen und Touristen in das Stadtzentrum locken?

Oederan bemüht sich seit langem, eine attraktive Kleinstadt zwischen den Zentren Freiberg und Chemnitz zu sein. Neben dem 26.000 Quadratmeter großen Erlebnisbad oder der weithin bekannten VOLKSKUNSTSCHULE ist gerade auch im Stadtzentrum viel geschehen. Hier möchte ich zusätzlich zum entstehenden Wildpflanzenpark speziell zwei Initiativen erwähnen: die PERSPEKTIVA und den Regionalmarkt Oederan. Beides sind erfolgreich umgesetzte Städtewettbewerbsprojekte.

Die PERSPEKTIVA ist eine mobile Freiluft-Fotoausstellung. Sie zeigt mehrfach jährlich wechselnd Bilder namhafter Künstler und Ergebnisse von Mitmachprojekten. Bisweilen werden die transportablen Fotohalter auch in andere Gemeinden gebracht. U.a. künden sie dort von der Kreativität Oederans.

Der Regionalmarkt Oederan öffnete im Frühjahr 2023 innerhalb einer traditionsreichen Innenstadtimmobilie. Er bietet auf 800 Quadratmetern Lebensmittel regionaler Herkunft an. Er wird zudem durch Veranstaltungen, etwa das Herbst- bzw. Kartoffelfest, aktiv bespielt. Der Regionalmarkt hat für die gesamte Immobilie einen Sanierungs- und Entwicklungsschub gebracht. Beispielhaft dafür steht eine 400 Quadratmeter große innovative Bogensportarena, an der derzeit intensiv gearbeitet wird und die im Dezember 2023 in derselben Immobilie eröffnen wird.   

Quelle: YouTube/MDR Garten

Was erhofft sich Oederan mittel- bis langfristig vom Welterbetitel für die Montanregion Erzgebirge/Krušnohoří?

Der Welterbetitel trägt dazu bei, die einzigartige Kultur und Geschichte des Erzgebirges bekannter zu machen. Dies sollte wiederum dazu führen, mehr auswärtige Besucher auch nach Oederan zu bringen. Was wiederum die lokale Wirtschaft – Gastronomie, Hotellerie und Einzelhandel – stützen sollte.

Daneben sollte die Wertschätzung, die dieser Titel mit sich bringt, auch auf die infrastrukturelle Entwicklung der Region ausstrahlen. Die Politik ist gefordert, hier Verbesserungen einerseits an historisch bedeutsamen Gebäuden, andererseits aber auch am Straßen- und Wegenetz zu unterstützen. 

Wie die Jury die Preisvergabe an Oederan begründete

Natur ist in aller Munde. Auch in Oederan. Das Konzept »Ernährung neu gedacht – essbare Wildpflanzen in der Stadt« überzeugt, indem es liebenswert einfach die Natur nicht zum Selbstzweck erklärt, sondern den Menschen die Natur in die Stadt bringt. Und das nicht nur visuell mit einer entsprechenden Gestaltung von (Wildpflanzen-)Parkflächen quer durch die Innenstadt, sondern auch kulinarisch mit Regiomarkt, Kursen, Restaurant und Kochbuch. In den Corona-Krisenzeiten, wo eventuelle Frusternährung die Bewegung überdeckte, erhält nun die gesunde Ernährung einen noch größeren Stellenwert.

So überzeugte diese ernährungspädagogische Freiluftschule die Jury, da sie so vieles mit nachhaltiger Wirkung in sich vereint: Naturnähe in der Innenstadt, direktes und begleitendes bürgerliches Engagement über den Verein »Wildes Oederan e.V.« und eine Verwirklichung des Trends der gesunden Ernährung. Zudem dient die Projektidee wunderbar als inspirierende Blaupause (Parkanlage, Kurse, Kochbuch usw.) für andere Städte. Und nicht zuletzt setzt Oederan mit dem neuen Projekt die Historie zu seinen Wettbewerbsbeiträgen der vergangenen Jahre mit einem völlig neuen Thema fort und wandelt so in den vom Wettbewerb gewünschten Themenwelten.

Eröffnung der ersten sieben Tafeln im Oederaner Wildpflanzenpark. Bildrechte: Michael Herklotz

Bilanz des 19. Innenstadt-Wettbewerbs »Ab in die Mitte!«

Der Freistaat Sachsen hat den City-Wettbewerb auch 2022 mit zusätzlichen Mitteln unterstützt. Ausgelobt waren Preisgelder in Höhe von insgesamt 300.000 Euro. Das Jahresmotto lautete »Kreativ aus der Krise – Innenstadt neu denken!« Die Schirmherrschaft, die jährlich zwischen dem Wirtschaftsministerium (SMWA) und dem Regionalentwicklungsministerium (SMR) wechselt, lag beim SMWA.

»Unser Ziel sind lebendige und lebenswerte Innenstädte, wo sich Menschen treffen, einkaufen, arbeiten, was erleben – schlicht: wo der Bär steppt. Wie wichtig das ist, zeigt die große Resonanz auf die City-Offensive. 34 Bewerbungen aus 33 Städten und Gemeinden sind eingegangen«, sagte Staatssekretär Thomas Kralinski zur Abschlussveranstaltung in Leipzig und betonte: »Viele der ausgezeichneten Projekte beschäftigen sich mit den großen Herausforderungen unserer Zeit, wie den Folgen der Corona-Pandemie, Klimaschutz, Nachhaltigkeit, Digitalisierung und moderne Mobilität. Das zeugt von weitsichtigem Denken in Sachsens Kommunen. Was wir brauchen, ist ein neuer Mix aus Wohnen, Kultur, Freizeit, Erlebnis, Mobilität und Einzelhandel. Und vor allem brauchen wir den Mut, Neues in unseren Zentren auszuprobieren.«

Ein weiterer mit 30.000 Euro dotierter erster Preis ging nach Oederan für das Projekt »Ernährung neu gedacht – Essbare Wildpflanzen in der Stadt«. Die jeweils mit 20.000 Euro dotierten zweiten Plätze belegten Görlitz, Grimma, Hohnstein und Niesky. Jeweils 12.000 Euro erhielten die Drittplatzierten Auerbach/Vogtland, Bernstadt auf dem Eigen, Burgstädt, Chemnitz, Hoyerswerda, Meißen, Mittweida und Torgau. Anerkennungspreise (jeweils 5.000 Euro) vergab die Jury an Dresden, Eilenburg, Flöha, Kamenz, Lengenfeld, Mulda, Pockau-Lengefeld, Reichenbach im Vogtland, Rodewisch, Sebnitz, Stollberg/Erzgebirge und Zittau.

Chemnitz konnte sich für sein Projekt »Augmented Reality – Erlebnisse für die Chemnitzer Innenstadt« zusätzlich über den vom sächsischen Wirtschaftsministerium gestifteten Sonderpreis »Einzelhandel« (10.000 Euro) freuen. Eine App soll mit digitalen Anreizen (»erweiterte Realität«) potenzielle Kunden in die City locken und auch in weniger frequentierte Lagen lotsen.

Darüber hinaus haben verschiedene Sponsoren Sonderpreise für die Projekte aus Auerbach, Oederan und Reichenbach (Kategorie »Blühendes Zentrum«), Bernstadt (Kategorie »Nachhaltige Stadtentwicklung«) und Mittweida (Kategorie »Licht«) gestiftet.

Die Preisverleihung des diesjährigen Wettbewerbs wird am 14. November 2023 in Meißen stattfinden.


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