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#ZUKUNFTblog

Modemacherin Wenke Müller strickt an ihrem geförderten Meisterabschluss

Modemacherin Wenke Müller strickt an ihrem geförderten Meisterabschluss

Wer in Sachsen erfolgreich seinen Meister macht, erhält seit diesem Jahr einen Zuschuss von 2.000 Euro und damit doppelt so viel wie bisher. Eine angehende Meisterin ihres Fachs, die den erhöhten Bonus in Aussicht hat, ist Wenke Müller. Sie absolviert bis November 2023 ihr einjähriges Meisterstudium im Maßschneiderhandwerk im »njumii« – das Bildungszentrum des Handwerks in Dresden – in Teilzeit. Der #ZUKUNFTblog stellt die engagierte Modedesignerin und Buchautorin vor.

Das Schneidern ist Wenke Müllers Passion. »Ich mag gut gemachtes Handwerk und die Freiheit am Gestalten«, sagt die gebürtige Dresdnerin. Vor ihrem 2008 abgeschlossenen Modedesign-Studium an der »Burg Giebichenstein Kunsthochschule« in Halle/Saale absolvierte sie zunächst ein einjähriges Praktikum in der Schneiderei des Hamburger Ohnsorg-Theaters und vertiefte sich in dieser Zeit in Hollywood-Bücher der 1930er- und 1940er-Jahre: »Die Eleganz, der gute Stoff, die gute Machart – das hat mich beeindruckt.« Unter den Gegenwarts-Designerinnen schätzt sie besonders Jil Sander »für ihre schlichte Eleganz«, die 2022 verstorbene Vivienne Westwood »für ihre Verrücktheit und das Revolutionäre« sowie Iris von Arnim »für das Hanseatische und gute Materialien«.

Die Stiftung der Deutschen Bekleidungsindustrie verlieh Wenke Müller 2009 im Rahmen des European Fashion Award einen Anerkennungspreis für ihre Diplomkollektion. Daraufhin arbeitete sie in der Schweiz. Bei einer Atelierassistenz im für seine Prêt-à-porter-Kollektionen bekannten Modehaus Akris in St. Gallen entdeckte Wenke Müller, Jahrgang 1978, ihre seit der Kindheit bestehende Liebe zum Stricken wieder. Anschließend war sie als Kreativ-Strickentwicklerin bei Hugo Boss tätig und wirkte an der »Schnittstelle« zwischen Design und Marken-Management.

Wenke Müller im Gespräch mit dem #ZUKUNFTblog des SMWA. (Bildrechte: SMWA, Julian Hoffmann)

Um eine Familie zu gründen und die familiären Aufgaben mit dem Beruf besser vereinbaren zu können, kehrte Wenke Müller 2012 aus der Schweiz in ihre Heimatstadt Dresden zurück. In der Elternzeit kam sie wieder zum Stricken und veröffentlichte im EMF-Verlag zahlreiche Bücher mit Strickanleitungen, zum Beispiel »Hygge Babys und Kids – Wohlfühlkleidung stricken: Größe 50 – 92« oder »Islandpullover stricken: Skandinavische Top-down-Modelle mit kuschligen Accessoires – Stricken ohne Zusammennähen«. Für ihre Veröffentlichungen und Anleitungen entwickelte sie das Label »Tomkeknits«.

Nach der Elternzeit unterrichtete Wenke Müller als Seiteneinsteigerin u.a. Kunst in einer Grundschule und einer freien Oberschule. Zu ihren Referenzen zählen auch Forschungs- und Lehrtätigkeiten am Institut für Textilmaschinen und Textile Hochleistungswerkstofftechnik (ITM) der Technischen Universität Dresden, an der Jugendkunstschule Dresden und an der AFFB Akademie für berufliche Bildung in Dresden.

Wenke Müller vor der Maßschneiderei »Goldener Schnitt« auf der Louisenstraße in Dresden. (Bildrechte: SMWA, Julian Hoffmann)

»Eigentlich«, so die umtriebige Modedesignerin, »wollte ich nach meiner Elternzeit eine Umschulung zur Schneiderin absolvieren. Mit meinem Studium galt ich beim Arbeitsamt jedoch als überqualifiziert. Und weil es zu wenige Stellen gebe, könne man eine Umschulung nicht finanzieren.« Schließlich fasste Wenke Müller den Entschluss zur Selbstständigkeit. Heute arbeitet sie als freischaffende Strick-Designerin sowohl in Dresden als auch in Leipzig – und absolviert gleichzeitig das Meisterstudium bei der Handwerkskammer Dresden (HWK).

Warum hat sich die Mittvierzigerin mit ihrer langen Berufserfahrung dazu entschieden? »Um autarker zu werden in dem, was ich machen möchte. Ganz individuelle Schnittkonstruktionen und Maßanfertigungen auf Kundenwunsch haben wir im Studium nicht behandelt. Andererseits geht es mir auch um den Austausch mit den anderen sehr engagierten Leuten in der Szene. Wer selbstständig arbeitet, rotiert ja normalerweise in seinem eigenen Kosmos«, betont Wenke Müller.

»Ich mag gut gemachtes Handwerk und die Freiheit am Gestalten.«

Wenke Müller, Diplom-Modedesignerin und angehende Meisterin im Maßschneiderhandwerk

Über eine Internetrecherche stieß sie auf eine Stellenausschreibung für einen Mini-Job in der Maßschneiderei »Goldener Schnitt« in der Dresdner Neustadt. Dort ist Wenke Müller während der Brautkleidsaison in Teilzeit angestellt. Die Kurse im Bildungszentrum »njumi« der HWK finden freitags von 15 bis 20 Uhr und samstags von 8 bis 15 Uhr statt. Um Beruf, Studium und Familie zu vereinbaren, greift die zweifache Mutter auf ihr familiäres Netzwerk zurück. Die Kinder lernen an einer Ganztagsschule und die freischaffende Tätigkeit ermöglicht ihr eine gewisse Flexibilität, u.a. durch Arbeiten im Homeoffice. »Aber grundsätzlich muss man sich das wirklich Woche für Woche zurechtbasteln«, betont die Modemacherin.

Da Wenke Müller bereits ein Diplom als Modedesignerin besitzt, erhält sie kein Bafög und finanziert ihr Meisterstudium selbst. Gerade in Zeiten von Energiepreiskrise und Inflation verschafft ihr der auf 2.000 Euro erhöhte Meisterbonus perspektivisch mehr finanziellen Spielraum für die Familie und die Arbeitsmaterialien: »Für meine Kurse muss ich viel Zubehör selbst kaufen. Gerade hochwertige Woll- und Seidenstoffe gehen ins Geld.« Da nicht jedes Bundesland eine Meisterprämie zahlt, wünscht sich Wenke Müller eine möglichst bundeseinheitliche Regelung.

(Bildrechte: SMWA, Julian Hoffmann)

Wie es nach ihrem Meisterstudium weitergeht, lässt die künftige Maßschneidermeisterin noch offen: »Wir haben jetzt Halbzeit, im November stehen die Prüfungen an. Was ich gelernt habe, möchte ich vertieft anwenden. Wie es dann konkret weitergeht, wird sich zeigen. Ich kann mir vorstellen, aus der Selbstständigkeit heraus in eine Anstellung zu gehen. Das hängt aber davon ab, welche Jobs es gibt. Örtlich bin ich an Dresden gebunden.«

Aus ihrer heutigen Sicht empfiehlt die Sächsin angehenden Modedesignern und Maßschneidern, zunächst eine Ausbildung zu absolvieren und danach zu studieren. »Ich hatte damals auch einen Ausbildungsplatz in Aussicht, dachte aber, ich muss gleich studieren. Die dreijährige Ausbildung kam mir damals sehr lang vor«, so Wenke Müller. »Ich maße mir aber nicht an, Empfehlungen zu geben. Jeder und jede soll seinen und ihren eigenen Weg gehen – und sich auch nicht von geringen Verdienstmöglichkeiten abschrecken lassen. Von der Politik erwarte ich, dass sie den Ausbildern genügend Zeit und finanzielle Spielräume gibt, um ihr Wissen an engagierte, lernwillige Menschen weitergeben zu können.«

Hintergrund: Erhöhung des Meisterbonus im Freistaat Sachsen

Das Handwerk prägt kein anderes Bundesland so stark wie Sachsen. Der Freistaat hat die höchste Handwerksdichte bundesweit: Jedes vierte Unternehmen (36.500) ist diesem Sektor zuzuordnen. Zudem weist Sachsen bundesweit die zweithöchste Beschäftigtendichte im Handwerk auf: Mehr als 285.000 Menschen – jede/r siebente Erwerbstätige – finden im Handwerk ihren Beruf bzw. ihre Berufung. Die Anhebung des Meisterbonus ist Teil der gemeinsamen »Richtlinie Berufliche Bildung« des Wirtschaftsministeriums, des Umweltministeriums und des Innenministeriums, die am 24. Januar vom Sächsischen Kabinett beschlossen wurde. Die Änderungsrichtlinie trat rückwirkend zum 1. Januar 2023 in Kraft.

»Mit dem verdoppelten Meisterbonus honorieren wir diese wichtige Qualifikation und stärken gleichzeitig die berufliche Aus- und Weiterbildung. Das ist ein Beitrag zur Fachkräftesicherung, denn die Meister von heute sind die Ausbilder von morgen und garantieren auch in Zukunft Facharbeit von hoher Qualität.«

Martin Dulig, Sächsischer Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

»Die Erhöhung des Meisterbonus auf 2.000 Euro ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Staatsregierung löst damit das dem Handwerk gegebene Versprechen ein. Das Studium ist jedoch für Studenten bekanntlich kostenfrei. Unser Ziel ist allerdings die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung.«

Jörg Dittrich, Präsident des Sächsischen Handwerkstags und Präsident der Handwerkskammer Dresden

In Sachsen gibt es seit 2016 bei erfolgreichem Abschluss der Meisterprüfung einen Zuschuss vom Freistaat, der bisher bei 1.000 Euro lag. Profitieren können Meister im Handwerk, der Industrie sowie Fachmeister, die in Sachsen ihren Hauptwohnsitz oder Beschäftigungsort haben. Mit dem am 20. Dezember 2022 vom Landtag verabschiedeten Doppelhaushalt 2023/2024 wird ein auskömmliches Budget für die weitere Förderung gewährleistet.


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